Samstag, 29. Juni 2013

Mila und ihre Geister

Ich lese gerade ein Buch von Susann Pásztor:
Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts.


Es geht um Mila, die ein Schweigeseminar besucht. Auf der Rückfahrt lernt sie einen ihrer Mit-Schweiger kennen und verbringt drei Tage und Nächte mit ihm...Sie tauschen keine Adressen aus...

Mila lebt alleine, manchmal kann sie abends nicht einschlafen, weil ihre inneren Geister keine Ruhe geben.

Diese inneren Stimmen können ganz schön nerven, laufen im Kreis, lassen den Geist nicht zur Ruhe kommen. Dabei meinen sie es meistens gut. Und es bringt nichts, sie mit unhöflichen Worten zum Schweigen zu bringen.

Ich weiß nicht, wie das bei den Meerfrauen ist und ich bin diese Woche leider nicht dazu gekommen, mich damit zu beschäftigen.
Meine eigenen Sorgen-Geister tummelten sich in meinem Kopf, sie kümmerten sich wirklich äußerst liebevoll, aber auch sehr engagiert um eine Vielzahl von Fragen, die alle gelöst werden wollen.



Da erinnerte ich mich daran, wie Mila das macht, wenn ihre Geister nerven und sie schlafen will...
Sie bestellt ihnen ein Taxi, oder mehrere, je nachdem, wie viele von ihnen auf ihrer Bettkante sitzen.

Sie sagt : "Es nützt überhaupt nichts, einfach nicht mehr an bestimmte Personen oder Dinge denken zu wollen, wenn man schlafen will. Dann wird alles nur schlimmer."
Sie lässt also ein oder mehrere Taxi's vorfahren, bedankt sich für den Besuch, als ob sie Freunde seien und verabschiedet sich höflich. "Ich muss sehen, wie sie einsteigen. Manchmal schiebe ich ein wenig nach, aber ich darf keine Gewalt anwenden, das mögen sie nicht, dann steigen sie sofort auf der anderen Seite wieder aus. Wenn ich die Wagentür geschlossen habe, winke ich ihnen hinterher."
"Wo fahren sie hin?" "Das ist mir völlig egal, das müssen sie selbst aushandeln."
"Ist schon mal ein Taxi wiedergekommen?" "Ja, aber meistens geht es nur darum, dass jemand noch schnell etwas sagen will oder was liegen gelassen hat..."    (S.124)

Als ich gestern morgen auf ein Seminar gefahren bin, habe ich es ausprobiert. Hab mich einzeln bei meinen Geistern für ihr Engagement bedankt und ihnen für den Tag freigegeben...
Es hat funktioniert.


Montag, 17. Juni 2013

Eine unmögliche Liebe und andere Grenzüberschreitungen


Eine Verbindung zwischen einem Menschenmann und einer Meerjungfrau wird auch als eine Mesalliance (frz. Missheirat) bezeichnet. Eine unmögliche Liebe, tauglich nur unter strikter Einhaltung von Grenzen und Beachtung von Tabus.

Meerjungfrauen sind hybride Wesen (Mischwesen aus Frau, Fee und Fisch).
Den Wasserfrauen soll die Fähigkeit innewohnen, ihre Gestalt zu ändern, wenn sie festen Boden betreten... ihre Fischschwänze verwandeln sich dann zu menschlichen Beinen.

Ihr Element aber ist das Wasser. Sie schwimmen wie Fische im Wasser und haben gleichzeitig die Gabe, mit ihrer Schönheit und ihrem Gesang die Fischer zu betören.
Der Fischer hingegen ist ein Mensch, der atmen und sich nur für eine kurze Zeit unter Wasser aufhalten kann. 

Setzen wir ihn mal mit seiner Angel ans Ufer. 
Mit einem Köder an der Angel lockt er die Fische an Land, die feuchte Brut des Meeres, verwandt mit der Meerjungfrau. An Land erwartet die Fische der Tod. Sie können nicht ohne Wasser leben. Sie sind keine Mischwesen, die Fische.


Vielleicht denkt der Fischer in diesem Moment an seine Frau zu Hause, die womöglich die Fische gleich zubereiten wird.

Er sieht vielleicht auch, wie Sonne oder Mond sich im Wasser spiegeln und gerät in die Falle des Narziss, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebt.

Da erscheint ihm die Meerjungfrau.
Das schwellende, bewegte Wasser symbolisiert das aufwallende Begehren des Fischers nach der Meerjungfrau.Ihm wird durch die blaue Wasseroberfläche vorgegaukelt, dass darunter eine weitere Welt läge...
Wenn er sich der Meerjungfrau jetzt hingibt und ihr in ihr Element, das Wasser, folgt, für das er wiederum nicht gemacht ist, dann muss er es mit dem Leben bezahlen und büßt so für den Tod der Fische, die er an Land gelockt hat.
Drei mögliche Arten von Liebe: seine irdische, seine narzisstische Selbstliebe und das Begehren nach etwas, was nicht sein kann oder darf.

Nun gut, wozu gibt es Grenzen und Tabus?
Es setzt derjenige welche, der weiß, dass es notwendig ist, sie zu überschreiten (neben den Grenzen, die der Sicherheit Unwissender etc. dienen).
Notwendig, um Entwicklungsschritte zu ermöglichen und zu Selbsterkenntnis zu gelangen.
Und da wären wir bei Adam im Paradies. Geschaffen und ausgestattet mit dem Verbot, vom Baum der Erkenntnis zu essen. Erstmal beim einsamen Adam, weil die ebenfalls anwesenden Tiere keine rechten Gefährten für ihn waren. Gott erbarmte sich und schuf aus ihm die Eva. 


Quelle

Er erlaubte den beiden, sich von den Früchten des Paradieses zu ernähren. Tabu war nur der Baum in der Mitte, der Baum der Erkenntnis. Die beiden hielten sich daran, bis dann die Schlange (Symbol für die Lust) Eva darauf aufmerksam machte, dass sie keineswegs sterben müsse, wenn sie vom Baum in der Mitte essen würde, im Gegenteil, sie würde dann wissen, was gut und böse ist.
Das erschien ihr sehr verlockend und sie überredete auch Adam, zu probieren.
Ergebnis: Sie schämten sich ihrer Nacktheit, die berühmten Feigenblätter kamen ins Spiel. Gott merkte, dass sie sein Tabu nicht beachtet hatten. Strafe: Rausschmiss aus dem Paradies. Schlechtes Gewissen.
Aber auch die Erkenntnis über Gut und Böse und die Bürde der Eigenverantwortung.
Fortsetzung folgt.




Donnerstag, 6. Juni 2013

Die Geschichte einer Frau, die aus dem Wasser an Land geht und die Liebe sucht...

gehört zu den populärsten Geschichten überhaupt...

Was verbirgt sich hinter dem Phänomen "Meerjungfrau", warum fasziniert sie so?
Eines der interessantesten Bücher, das ich dazu finden konnte, ist dies:
Andreas Kraß: "Meerjungfrauen, Geschichten einer unmöglichen Liebe"

Das Titelbild ziert ein Gemälde des englischen Malers Herbert James Draper (1863-1920), der sich sehr gerne künstlerisch und großformatig mit der griechischen Mythologie auseinandersetzte:

                                            Odysseus und die Sirenen  (1909)

Quelle: wikimedia

Man unterschied im Mittelalter zwischen vier Typen von Geistern, die den Elementen zugeordnet sind.

Die Meerjungfrauen sind dem Element Wasser zuzurechnen, also den Nymphen,
die Geister der Luft sind die Sylphen,
die Geister der Erde sind die Pygmäen,
die Geister des Feuers die Salamander.

Es ist Hans Christian Andersens (1805-1875) "Kleiner Meerjungfrau" (1837) zu verdanken, dass wir uns heute eine weibliche Gestalt mit einem Fischschwanz vorstellen, wenn wir von Wasserfrauen, Nixen, Sirenen, Nymphen etc. sprechen. Andersen hat diese Gestalt nicht erfunden, aber sehr populär gemacht...

Der Maler Herbert James Draper war von dieser Ansicht also auch schon geprägt, denn Sirenen wurden ursprünglich in der Mythologie als Vogelfrauen dargestellt.
Auf dem Bild sehen wir die Überfahrt Odysseus' mit seinem Gefolge in Richtung der Inseln der Sirenen. Sirenen  waren dafür gefürchtet, Menschen, die sie mit ihrem Gesang betört hatten, unweigerlich ins Verderben zu ziehen. Odysseus wusste davon, wollte dem Gesang aber standhalten. Man verschloss den Männern die Ohren mit weichem Wachs, damit sie möglichst vom Gesang un-"berührt" blieben , vielleicht sollte man angesichts des Gesichtsausdrucks von Odysseus aber schon eher von drohendem Wahnsinn sprechen...
Odysseus ließ sich zusätzlich an den Mast fesseln...

Im Bild wird deutlich zwischen Männlichem und Weiblichem differenziert.
Die Männergestalten halten sich im linken Teil des Bildes auf, im Schatten, sind sonnengebräunt und dunkler dargestellt.
Die weiblichen Gestalten erscheinen mit ihren hellen Leibern im Licht, im rechten Teil des Gemäldes.
Während die Männer im Boot sitzen, es steuern und vorwärts bewegen, fallen die drei lieblichen Gestalten singend (mit offenen Mündern), betörend schön und rein den Männern ins "Ruder".
Sie "stören" den männlichen, zielgerichteten Fluss, lenken ab... wecken Begehrlichkeiten...

Man kann hier schön erkennen, wie die Gestalt der Meerjungfrau - links noch mit einem Fischschwanz auf der Ebene des Wassers - in der zweiten Gestalt in eine Menschengestalt mit Beinen übergeht (Ebene der Erde - hier der Schiffsboden, da wo die Menschen sitzen und rudern). Die Dritte im Bunde ist durch ihre leichtdurchlässigen luftigen Tücher symbolisiert als Geist der Luft - als Sylphe.

Die drei Schönen suchen auch Halt am Boot.
Anders als ursprünglich bei Homer ist das Szenario stark erotisiert.
Das Meer symbolisiert das Weibliche, das recht bedrohlich erscheinen kann. Das aufgewühlte Meer ist ein Sinnbild für das Begehren, das die Männer beim Anblick der verführerischen Frauen erfasst...

Die Nymphe hat also etwas Verführerisches und gleichzeitig auch etwas Bedrohliches.

Sehr sehr spannend das Ganze, ich will gerne noch etwas weiter in die Materie eintauchen.
Das oben angeführte Buch leistet mir dabei sehr gute Dienste und spricht mich in seinen Ansichten und Deutungen an.
Es gibt also bald eine Fortsetzung.