Samstag, 19. August 2017

Meersehnsucht

Die Meersehnsucht ist wieder da.
Ein Kollege nach dem anderen verabschiedet sich. "Ich bin dann mal auf dieser oder jener Insel!"
Meine  Instagrammer zeigen wunderschöne Fotos von Sehnsuchtsorten.
Und so wächst von Tag zu Tag das Bedürfnis, am Meer zu sein.

Nicht unerheblich trägt dazu bei, daß ich Sehnsucht habe, nach Ruhe, nach einem Wind, der mir all die Belastungen der letzten Monate aus dem Kopf pustet, der mich erfrischt, ich habe Sehnsucht nach Weite, nach Leichtigkeit, nach dem Rauschen des Meeres.

Was habe ich schon versucht? Hohes Gras für die Terrasse gekauft ( Strandhafer-Illussion),
meine Wangerooge-Meeresrauschen-CD angehört,  Terminkalender gecheckt.

Das einzige, was mir ein wenig geholfen hat, war, mich mit Meeressand zu beschäftigen.

Ich habe eine Sammlung von Strand-Sand und einigen anderen interessanten Sandproben. Die allerwenigsten Strände, von denen dieser Sand stammt, habe ich selbst betreten. Das ist nicht weiter schlimm, für mich zählt auch, dass ich jeden Sand mit jemandem verbinden kann, der ihn für mich mitgebracht hat.

Ich habe ihn aufbewahrt in Gläschen, Flaschen oder Tütchen.

Ich dachte mir, es sei Zeit, ihn mal schön zu "archivieren". Ich habe mir passende Gläschen gekauft und schwarze Aufkleber samt weißem Permanent-Marker.

Es war eine spannende Sache. Schon allein die Gläschen zu öffnen. Das eine, was praktisch meine Sammlung begründet, aus der Sahara, hat 40 Jahre niemand mehr geöffnet.
Es staubte leicht - ein Flaschengeist? Befreit.

Diese unterschiedlichen Sande anzuschauen, wie verschieden sie gekörnt sind, welche Konsistenz und Farbe sie haben - sehr interessant. Manche bestehen aus gemahlenem Muschelkalk oder aus kleinsten Kieselsteinen.






Ich dreh' die Gläschen mal in derselben Reihenfolge um.






Man könnte sich praktisch seinen Strand von zu Hause aus nach dem Sand aussuchen, den man am liebsten mag (Vorsicht : Sahara).  Interessant wäre auch - wie beim 12tel Blick -  den Sand Jahr für Jahr zu sammeln und zu vergleichen...
Am besten aber ist es, hinzufahren, mit den nackten Füßen durch den warmen Sand zu laufen und ihn sich dann vom Meerwasser abwaschen zu lassen...



Ich wünsche Euch ein schönes Wochenende !






Donnerstag, 17. August 2017

Musik und ich

Astrid sammelt derzeit Beiträge, die unsere Erfahrungen und Verbindungen zum Thema Musik betreffen.
Spontan antworten konnte ich nicht. Da ist so einiges.

Richtig erinnern, wie es mit uns beiden, der Musik und mir, angefangen hat, kann ich mich nicht.
Vermutlich mit Schlafliedern. 

Meine Mutter hat vor meiner Zeit mal Mandoline gespielt, in einem Orchester, bis ihr Lehrer 1960 noch schnell vor dem Mauerbau nach dem Westen geflüchtet ist.  Mit dem Musizieren war dann Schluss.

Mein Vater besaß als Jugendlicher ein Akkordeon, was aber lediglich ein Bezahlobjekt war, das er nach der Vertreibung aus Schlesien in seinem damaligen Zufluchtsort im Vogtland (Musikinstrumentenmacher-Gegend) erhalten hatte, es musste später wieder für dringend Benötigtes eingetauscht werden.
Er konnte aber auf einem Grashalm pfeifen und lustige Geräusche machen.
Meine Eltern hören gern Trompeten- und Orgelmusik, was sicher zum Teil ihrer Nähe zum Trompeter Ludwig Güttler, der maßgeblichen Anteil am Wiederaufbau der Dresdener Frauenkirche hatte, zu verdanken ist.

Vielleicht war auch eine meiner ersten bewussten Begegnungen mit Musik in der Kirche oder in der Schule.




                                                                                                                 Kirche  auf Norderney

Ich bin im östlichen Teil Deutschlands aufgewachsen. 

Als Kind fand ich das alljährliche Adventssingen donnerstags abends in der Kirche immer Klasse. Auch natürlich, weil wir hinterher ein Pfefferkuchenherz mit Schokolade bekamen.


In der Kirche gab es einen Posaunenchor, in dem mein Bruder Trompete spielte, eine Orgel und einen Chor. Ich begann damals mit der Kurrende, dem Kinderchor. Besonders cool fand ich die schwarzen Umhänge mit den großen, weißen Kragen, die wir tragen durften. Es begann also mit dem Singen. Das schulte meine Stimme. Kurrende statt Schulchor. 



In der Schule gab es bis zur 10. Klasse durchgehend Musikunterricht. Mit Volks-, Kampf- und Arbeiterliedern. Und manchmal mit Einzelvorsingen vor der Klasse, überflüssigerweise benotet. Das fand ich ganz schrecklich. Insgesamt war der Musikunterricht ziemlich allgemeinbildend, von "Peter und der Wolf" über "die Zauberflöte", die "Marseillaise" bis hin zum biographischen Poem " Lilo Herrmann"(einer Widerstandskämpferin), geschrieben von Friedrich Wolf, vertont von Paul Dessau 1954.

Das war ziemlich grausam gemacht, beschrieb haarklein mit musikalischer Untermalung die Enthauptung dieser Frau 1938 in Plötzensee. Ich habe es leider nie wieder aus meinem Kopf bekommen.

Ich hatte ungefähr mit 8 Jahren den Wunsch, ein Instrument zu lernen. Nicht irgendeins. Ich wollte Geige lernen. Unbedingt. Ich war sehr enttäuscht, als man mir sagte, ich sei mit 8 oder 9 Jahren dafür zu alt.  Damals war Kunst und Sport auf Höchstleistungen  ausgerichtet. Und da muss man wie im Eiskunstlauf mit 5 Jahren beginnen.


Als Alternative, weil Querflöte auch nicht ging, wurde mir Posaune angeboten, oder Klarinette. Posaune!  Ich? Niemals.


Zum Glück hatte meine Mutter, die als Physiotherapeutin arbeitete, damals gerade den Herrn Musikschuldirektor in der Unterwassermassagewanne liegen...  und sie erzählte ihm, ich würde gerne später mit Kindern arbeiten wollen und da wäre doch ....   richtig, sagte er, Gitarre!


Mit dieser Alternative konnte ich leben und ab sofort ging ich zum Theorie- und zum Gitarreunterricht. Es stellte sich heraus, dass nicht Liedbegleitung gemeint war, sondern klassische Gitarre,  die italienischen und spanischen Meister.  Joo...





Aldo Lagrutta aus Venezuela, ein Ausnahmekünstler. Zweimal durfte ich ihn hören. Momentan hört man leider nichts von ihm.

Es machte Spaß. Ich war fleißig und das war auch vonnöten, von nix kommt nix. Weder die Hornhaut auf den Fingerkuppen der linken Hand, noch die Schnelligkeit der Finger der rechten Hand, wenn ich die "Alhambra" übte.
Ich schrieb Texte, Geschichten zu den Musikstücken.
Wir spielten regelmäßig vor den Eltern und im Altenheim, später spielte ich (freiwillig) in der Aula der Berufsschule auswendig vor, bis zu dem Tag, als ich vor einem vollbesetzten Kinosaal einen Blackout bei einem Stück hatte, das ich seit Ewigkeiten wie im Schlaf spielen konnte. Ich musste improvisieren. 
Ich hatte meine Orchesterreife erlangt und als ich zum Studium umzog, war kein Raum mehr für die Gitarre. 

Was haben wir damals für Musik gehört? Als ich Kind war, war die Zeit von ABBA und Boney M. Einen Fernseher besaßen wir bis zu den Olympischen Spielen 1984 nicht. 
Meine Eltern waren der Meinung, nur für das 2.  DDR-Programm lohne das nicht, mehr konnten wir nicht empfangen. Bergland. Wir hörten heimlich Deutschlandfunk, den Sender Freies Berlin und Bayern 3. Da bekam man einiges von der aktuellen Musik mit, aber ich konnte die Akteure nie sehen. Ich war praktisch blind und konnte nur hören. 

Manchmal gelang es meinem Vater,  Eintrittskarten für die Stadthalle in Chemnitz zu bekommen.
Da erlebten wir dann den französischen Jungen-Chor "Le Poppys". Der Jüngste durfte immer "Isabelle" singen. So süß. Vielleicht verliebte ich mich dort in die französische Sprache, die ich leider nie erlernte. 

Einmal waren die "TEENS" da und auch die österreichische Gruppe "Erste Allgemeine Verunsicherung". Die Märchenoper "Hänsel und Gretel" sah ich dort auch.


Das war das, was mit Glück möglich war.


Oder auch im Urlaub in Ungarn. Leider besaßen wir aufgrund unserer ostdeutschen Staatsangehörigkeit nur sehr unzureichende finanzielle Mittel (geringer Tagestauschsatz, der gerade für ein schlechtes Quartier reichte ), aber ich liebte es trotzdem, den Geigen in den Csárdás beim abendlichen  Vorbeispazieren zu lauschen.


Man hörte eben das, was möglich war und was einem auf seinem Lebensweg begegnete, wenn man Gefallen daran fand natürlich.

Zu meinem 18. Geburtstag war ich in Pizunda am Schwarzen Meer. Eine etwas skurrile Gelegenheit bot sich mir, die ich dringend am Schopfe packen musste. Reisen ins Ausland waren eine seltene Sache.


                                                                                                             Quelle:Wikipedia

Am Abend meines Geburtstages wurde in der kleinen abchasischen Kathedrale aus dem 10. Jh. ein Orgelkonzert einer Organistin aus Riga gegeben.
Ich lernte Vivaldi kennen. Ein schönes Geschenk.

Nach der Wende eröffneten sich uns neue Möglichkeiten.

Filme. Konzerte.

Soundtracks zu Filmen.
Um einige zu nennen: "Chocolat", "Die fabelhafte Welt der Amélie",
"Wie im Himmel", "Zimt und Koriander" , "Die Kinder des Monsieur Matthieu", "Kirschblüten Hanami", "Schlaflos in Seattle", "Herr der Ringe"... ich habe lange keine Soundtracks mehr gekauft, merke ich.



Ein Besuch im Musikinstrumenten-Museum in Inverness/Schottland.  Hörproben historischer Instrumente und die Gelegenheit, endlich einmal eine Geige in die Hand nehmen zu dürfen und das Streichen zu versuchen.

Später dann kam die Musik für die Kinder dazu. Rolf Zuckowski, Findus und Pettersen, Ritter Rost, diverse Ritter- und Wikingerlieder für Kinder, meist in Museen gekauft, wie Haithabu usw.  Wir schauten uns den "König der Löwen" in Hamburg und "Die Schöne und das Biest"in Oberhausen an.

Meinen beiden Söhne hatten Spaß an den Instrumenten, die im Haus vorhanden waren:
Zither, Mandoline, Gitarre, verschiedene Orff-Instrumente, Flöten, Dudelsack. Der Ältere beschäftigte sich gern mit seiner Ukulele, der Jüngere lernte Gitarre und dann E-Gitarre.
Die Schulkonzerte seiner Musikklasse waren einfach herrlich.

Ein Angebot für Erwachsene der Musikschule bestärkte mich, meinen Kindheitstraum noch wahr werden zu lassen: Violine zu lernen, es wenigstens einmal versuchen zu dürfen, ohne Ansprüche auf Vollkommenheit.




Es war ein Fest, als ich die alte Leihgeige abholen durfte.
Inzwischen nehme ich 8 Jahre lang Unterricht, am allerschönsten allerdings ist es, wenn ich mit meiner Lehrerin zusammen spielen kann. Das hört sich dann richtig gut an und macht mich glücklich (sie kann so toll spielen).
Inzwischen besitze ich auch eine schöne, eigene Violine, die wunderbar klingt.

Was ich mir wünschen würde, das wäre ein Orchester für Erwachsene, etwas Umperfektes, für späte Anfänger wie mich.
Ich durfte das mal ausprobieren, als ich ein längeres Praktikum in einer psychiatrischen Tagesklinik in der Kunsttherapie gemacht habe.
Da gab es ein hauseigenes Patientenorchester, das für spezielle Anlässe - während meiner Zeit dort für ein sommerliches Atriumskonzert - probte. Man wünschte sich schon des längeren eine Violine dazu und da mochte ich nicht nein sagen.
Nach Wochen der Proben folgte die Aufführung mehrerer internationaler Stücke.
Es war einfach eine wunderschöne Erfahrung, mit den anderen Musikern an einem Sommerabend im Garten zu musizieren.

Ich mag Konzerte auf Reisen, wie in Wien in der Staatsoper:




oder auf Norderney , wenn man einfachen Zugang dazu hat, so fast im Vorbeigehen, Musik zum Mitnehmen.



Das Warschauer Symphonieorchester kommt seit sage und schreibe 38 Jahren in jedem Sommer nach Norderney. Einmal habe ich ein großes Konzert an einem Sommerabend direkt am Meer erlebt, als krönenden Schlusspunkt Edgar Elgars "Pomp and Circumstance" - Land of Hope and Glory, die inoffizielle englische Hymne. Sehr eindrucksvolles Erlebnis mit Meeresrauschen und untergehender Sonne im Hintergrund.

Musik besitzt eine heilsame, fördernde Kraft. Mein Puls gibt mir meinen eigenen Rhythmus vor.
Rhythmen sind der hörbare und fühlbare Puls ganzer Kulturen, die Sprache eines kollektiven Lebensstils.
Musik ist magisch, speichert, ähnlich wie Gerüche, Gefühle und Erinnerungen, kann traurig und glücklich machen, motivieren, läßt uns intensiver fühlen.

Mir würde noch einiges mehr einfallen - ich liebe Musik.