Donnerstag, 29. August 2013

Ein Sommerort meiner Kindheit

Als ich noch ein kleines Mädchen war, verbrachte ich oft einen Teil meiner Sommerferien bei meinen Großeltern. Sie wohnten in Sichtweite des Schlosses Hubertusburg.
Der Name klingt schon nach Jagd -  ja, es ist ein Jagdschloss, eins von August dem Starken, der seine Hauptresidenz im nahen Dresden hatte.
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich es als Kind einmal ins Innere des Schlosses geschafft hätte.... das ging nämlich nicht. Schloss Hubertusburg war schon bald nach seiner Erbauung (1752) im Siebenjährigen Krieg (1756 -1763) als Vergeltung für die teilweise Verwüstung der Charlottenburg in Berlin durch sächsische Truppen geplündert worden. .. alles weg.

Ich selbst kannte die riesige Schlossanlage als Kind nur als psychiatrisches Krankenhaus... mein Großvater arbeitete dort und berichtete uns oft allerlei skurrile Sachen und unsere Phantasie tat ihren Teil noch dazu.

Im Moment gibt es dort eine Ausstellung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Und man kann endlich ein paar Räume betreten! Also nix wie rein, als wir kürzlich dort waren...


Porzellan, Meissen,  Johann Joachim Kaendler, um 1918, nachempfunden dem sogenannten "Goldenen Reiter", der in Dresden auf dem Neustädter Markt steht


Audienzstuhl (um 1755)  von August dem III. links Kurfürst Friedrich August III und rechts Maria, Josefa, seine Gemahlin

Mir gefiel besonders der Kontrast der alten Gemäuer, die so gut wie unrenoviert erscheinen, mit der
Ausstellungs"kulisse".


Der "Heilige Hubertus", Meissen, 1741


Torso eines Apoll, aus den Dredener Großen Gärten, vor 1726 (wie knackig!)

                                                                                                                                                        Quelle

Ja, das war schon mal spannend, in das Schloss hinein zu kommen.

Es gab noch eine weitere Ausstellung, in einem Nebenflügel des Schlosses, über
Karl Hans Janke, den "Leonardo da Vinci der Heilanstalt",
wie ihn neulich ein Beitrag der Lit.COLOGNE nannte. Bei Interesse nachzuhören hier.
Sehr spannend.

Karl Hans Janke sass fast 40 Jahre in der psychiatrischen Anstalt auf Hubertusburg fest.
Diagnose: Chronisch paranoide Schizophrenie mit dem Hauptsymptom des "wahnhaften Erfindens".
Er war unzweifelhaft technisch begabt, ein Künstler und Konstrukteur. Er bemühte sich umsonst um eine Entlassung und schuf seit 1948 bis zu seinem Tod 1988 über 4000 Werke,
Zeichnungen und Modelle technischer Neuerungen, ein "Stammbuch der Menschheit", verfasste politische und militärische Strategien - kein Wunder, dass das System der aufkeimenden DDR Angst vor ihm bekam...
Erst 20 Jahre nach seinem Tod fand man auf dem Dachboden sein von ihm säuberlich verstautes Werk... mit der Bitte, "die Bilder und Alben aufzubewahren, mit den vielen Zeichnungen und Modellen, die ich für euch Menschen geschaffen habe.."











Angesichts der "Freilassung" von Gustl Mollath genau zur Zeit unseres Besuches (man kann die beiden Fälle nicht miteinander vergleichen) berührt das Schicksal Jankes.
Meine Mutter erzählte mir, dass mein Großvater Janke kannte. Mein Großvater war Krankenpfleger in der Psychiatrie. Er erzählte immer von einem angenehmen, höflichen Mann, wenn er von Janke sprach, der gute Beziehung zu den Anstaltshandwerkern pflegte, um an das eine oder andere Material oder Werkzeug zum Bau seiner Modelle zu kommen. Er hielt ihn nicht für einen "Kranken".
Irgendwie muss man sich ja beschäftigen und diese unbändige Kreativität hat ihm beim Überleben und Nichtverzweifeln sicher geholfen...



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